Wir sind alle unglaublich intelligent, gewitzt und schlagfertig, nur leider sind wir es oft nicht zur richtigen Zeit.
Das geniale deutschen Wort “Treppenwitz” spiegelt diese schreiende Ungerechtigkeit wieder und sagt, wie deutsche Wörter das oft tun, sehr viel über das Leben als Mensch aus.
Das wollen wir mal korrigieren.
Die Aufgabe:
Durchforste deine Biographie und finde einen Moment, in dem du etwas Falsches gesagt hast, oder in dem dir das Richtige einfach nicht eingefallen ist, und dein Zögern führte zu irgendeiner Niederlage oder Peinlichkeit.
Es kann ein großer Moment sein: Dadurch hast du einen guten Job, oder eine wichtige Gelegenheit, oder die Chance auf die grosse Liebe verpasst.Es kann klein sein: Hinterher fiel dir der beste Witz oder die klügste Antwort deines Lebens ein, aber es war zu spät und die Welt hat diese nie erfahren, oder, jemand wollte deine Aufmerksamkeit, oder hätte ein Wort der Ermunterung von dir gebraucht, aber im richtigen Moment hast du es nicht gesehen. Es kann lustig oder ernsthaft sein.
Die verpasste Gelegenheit sollte verbal sein – eine Chance, etwas zu sagen.
Schreib in einer kurzen Szene diese “verpasste Chance” um, damit zumindest in der Fiktion das Leben einmal so ist, wie es sein soll.
Viel Spaß!
Hintergrund: Die fiktionale Korrektur
Eine stete, aber ärgerliche Eigenschaft des Lebens ist, dass es nicht immer läuft, wie es laufen soll. Das Leben könnte so schön sein, wenn es etwas öfters auf unsere Wünsche und Vorstellungen hören würde.
Diese Tragödie des Lebens können nur Götter, Zauberer und Autoren abändern.
Einer der großen Aufgaben der Schriftsteller ist, die Realität rückgängig zu machen.
Der Science-Fiction Autor Ray Bradbury fand es schade und unwürdig, dass der große Schriftsteller Earnest Hemingway selbst das Leben nahm. Das liess ihn offenbar nicht los, und so schrieb er eine Geschichte, in der ein Zeitreisender aus der Zukunft zurückkommt, Hemingway in einer Kneipe in Idaho antrifft, und ihm dort ein Angebot macht:
Er würde Hemingway nach Afrika transportieren, wo er auf Kilimandscharo einen würdiger, wenn schmerzhafter Tod. Hemingway schlägt ein.
In seinem blutigen Film Es war einmal in America, schreibt Quentin Tarantino Hollywood-Geschichte um.
1969 schickte Charles Manson seine Anhänger zum Haus von der Schauspielerin Sharon Tate, wo sie diese und andere Menschen tötete.
Im Film erzählt Tarantino die Geschichte, wie sie hätte passieren sollen: Zufällig übernachtet zu der Zeit ein Stuntman im Haus, der die Kultmitglieder überwältigt und Hollywood rettet.
Die Realität schreiben Autoren nicht nur im Großen, sondern auch im Kleinen um:
Ein Junge is dünn und schlank und wird in der Schule gehänselt; ein Mädchen ist unscheinbar und wird von den Jungs übersehen – als Autoren schreiben sie Geschichten über starke Helden und schöne Heldinnen.
Wir sehen in der Welt so viel Ungewissheit, Ungerechtigkeit und Chaos, dass wir verzweifeln – aber im Krimi findet der Ermittler den Mörder und stellt damit die Ordnung in der Welt wieder her.
Auch auf einer sehr abstrakten, beinahe philosophischen Ebene tun wir das:
In der Realität währt die Liebe selten ewig, das Gute wird nicht mehr belohnt als das Böse, und Menschen mit den besten Absichten werden oft genug dafür nicht anerkannt. In der Literatur können wir das alles rückgängig machen.
Man sagt gern, das Schreiben sei die Suche nach Wahrheit – aber manchmal ist es die Suche nach einer Wahrheit, die in der Realität verloren gegangen ist.